von A bis Z
Was war hinter der verbotenen Tür,
bevor die Erste gucken kam?
Hören wir « Blaubart », haben wir sofort ein Bild vor Augen.
Keinen Mann mit blauem Bart, sondern eine Frau, die mit den Knöcheln im Blut steckt in eben der verbotenen Kammer, die sie nie hätte betreten dürfen.
Gerade fällt ihr vor Schreck der Schlüssel ins Blut ihrer
Vorgängerinnen, mehr Bewegung gibt es nicht in diesem Bild der Lähmung.
Sandra Leupold
Die wohl meistgespielte Oper der Welt gehört längst zum Inventar der abendländischen Kultur, und immer noch vergraben wir sie am liebsten lebendig unter einem ganzen Berg folkloristischer Verkrustungen. Nicht nur, wie Carmen zu sein hat, weiß jeder – mit ihrer enormen Popularität ist sie auch eines jener Werke, die das Klischeebild von Oper überhaupt mitbestimmen: Liebe, Tod, große Gefühle und der Sex des Südens.
(…)
Zu den Widersprüchen des Werkes gehört auch, dass die Bezeichnung „Charakter“ bei Carmen genauso zutreffend wie falsch ist. Als Inkarnation des Abziehbilds der erotischen Frau, des Männertraums schlechthin
ist sie in erster Linie Projektionsfläche. Selbst der Mythos von Carmen als „total emanzipierter Frau“ oder gar von ihrer angeblichen völligen Freiheit benennt einfach nur die umgekehrte Vorstellung davon. Auch wenn sie es ist, die hier die Beziehungen eingeht und beendet – sie definiert sich doch ausschließlich über Männer, darüber, wie sehr sie sie begehren.
Sandra Leupold
COSÌ FAN TUTTE
Die Berghaus-Schülerin Sandra Leupold aus Berlin inszenierte Mozart mit viel Einfallsreichtum, jugendlicher Unbekümmertheit und sportlicher Direktheit als „teatro povero“, als armes, doch beileibe nicht phantasiearmes Stück auf leerer Bühne.
Endlich einmal sah man, dass Lorenzo da Ponte und Mozart im Zyniker Don Alfonso trotz der Bezeichnung "vecchio filosofo“ keinen gesetzten, altersweisen Denker, sondern einen ungestüm experimentierenden Draufgänger entwarfen.
FAZ 6.8.03
Opernwelt-Nominierung als Regisseurin des Jahres
Zeitschleifen
Wird das Versuchskaninchen zu Grunde gehen – oder überlebt es? Wann genau bricht ein Herz? Und wie klingt es, wenn seine Muskelfasern reißen? Eine Fülle von Komödien mit und ohne Musik hatte das gefragt. Keine Kunstform lässt uns genauer in diese Zeit des untergehenden Absolutismus blicken als das dramma giocoso. Uns heute ist es beredtes Abbild einer Epoche, die bis zum Ende nicht genug davon bekam, sich auf der Bühne – getarnt als allabendlich anders arrangiertes Spiel zwischen beliebig austauschbarem, tändelndem Personal – auf gewissermaßen masochistische Weise immer wieder selbst vorzuführen. Mitsamt ihrer ganzen Unzulänglichkeit.
Sandra Leupold
Verdi
2013
Theater Lübeck
Endspiel
»Don Carlo« ist nicht nur Verdis extremste Oper, sondern auch seine düsterste. Der Inhalt dieses von Melancholie geradezu durchdrungenen Stücks ist tief resignativ: alles endet im Aussichtslosen. Jene Passagen, in denen völlig die Ausweglosigkeit Klang wird, gehören zu den wahrhaft großen Momenten von Oper überhaupt.
Sandra Leupold
Deutscher Theaterpreis Der Faust 2014 für beste Regie Musiktheater
DON GIOVANNI
Dem Drachen mutig ins Maul geschaut – umjubelte Spielzeiteröffnung in Heidelberg mit „Don Giovanni“ –
[...] Die Regisseurin Sandra Leupold nahm Mozart und da Ponte beim Wort, legte die Seelenstränge und Herzblutbahnen bloß und ließ uns trotzdem lachen. Nackt bis zur schwarzen Brandmauer ist der Spielort, ein Bühnenpodest, aus dem Schnürboden leuchtet nüchternes Arbeitslicht – fürs Erste. Sieben Stühle stehen im Kreis. (...) Acht Menschen, sieben Stühle. Einer bleibt also immer übrig. Jeder für sich. Zunächst sind sie Sänger, die Sänger spielen, die dann in eine Opernrolle schlüpfen.
(...) Leupold gewinnt viel: Sie zwingt die Sänger, ihr Hirn zu benutzen, ihren Theaterinstinkt anzuknipsen. Nur wer sich vorstellt, den Kulissenleim zu riechen, das bauchige Kostüm trägt, als sei es maßgeschneidert, der zeigt Giovannis Begehrlichkeit, Elviras Wut oder Anna unterdrücktes Selbst.
Stuttgarter Zeitung 5.10.05
« Genau hier, wo das Tragische vom Komischen nicht zu trennen ist, nehmen , wir uns vor, spielerisch mit ernsten Dingen umzugehen »
Sandra Leupold
ERWARTUNG
Schönberg
2008
Oper Leipzig
Schönberg-Trilogie
"Moderne Menschen" in der Oper Leipzig stürmisch gefeiert
Tisch, Stuhl, Becher, Videokamera, Neonlicht auf riesiger Bühne – spärlicher ist Musiktheater kaum auszustatten. Und eindrucksvoller kann es kaum sein als Schönbergs „Erwartung“ am Ende der Schönberg- Trilogie „Moderne Menschen“ in der Oper Leipzig am Samstag. Ein Triumph: Beim Publikum wie künstlerisch, und man muss weit zurückblicken in der Geschichte des Hauses, um eine Produktion zu finden, bei der Szene, Orchester, Gesang so ineinander griffen wie bei „Erwartung“.
Leipziger Volkszeitung 7.4.2008
LA FINTA GIARDINIERA
Mozart
2011
Stuttgart Wilhelma Theater
Rokoko im Zoo
Die idee, eine Rokoko-Oper ausgerechnet im Zoo aufzuführen, klingt zunächst sonderbar, irgendwie elektrisierend oder vielleicht auch einfach nur verrückt und besticht dann doch durch ziemlichen Scharfsinn. Zwischen all den anderen Tieren und Pflanzen also möchte sich der-Mensch selbst seinen Mitmenschen zur Betrachtung darbieten.
Sandra Leupold
Sie alle begaben sich mit Verve mitten hinein ins Tohuwabohu, bis vor lauter Liebeswahn- sinn keiner mehr wusste, wo ihm der Kopf stand. Am Ende tasteten sich die verwirrten, fast gänzlich entblößten Theatermenschen an der Außenwand entlang, als könnte ihnen diese Halt geben, und der Dirigent am Pult der glänzend aufgelegten Musiker schickt den Schlusschor auf nun ganz verdunkelter Bühne in die Endlosschleife. „Es lebe die Liebe, die alle fröhlich macht“, singen sie. So nah und so dunkel wie hier war Mozart
Selten.Stuttgarter Zeitung 22.2.11
DER FREISCHÜTZ
Weber
2017
Theater Heildelberg
Sandra Leupold gestaltet Webers „Freischütz“ am Theater Heidelberg in einer zwingenden Inszenierung als Horrortrip der erniedrigten Kreatur
Fast möchte man Sandra Leupolds grandios durchgearbeiteter Bühnenerzählung mit dem Titel „Histoire du soldat“ versehen: So machtvoll und eindeutig in seiner Schwäche und Ver- letzlichkeit stand Max noch selten im Zentrum einer „Freischütz“-Interpretation. Wie die Figur von Ramuz und Strawinsky hat er sich teuflischer Übermächte zu erwehren, mehr aber noch von den hierarchischen Instanzen und Verhältnissen zu erdulden, die ihm, dem vom Schießglück Verlassenen, schon anfangs nicht mit gutmütigem Spott, sondern mit giftigem Hohn bis hin zu tätlichen Angriffen begegnen. Max, vom Typus her ganz der erniedrigte und beleidigte Wozzeck, empfindet den Druck von außen als eine Kakophonie „innerer Stimmen“ – zum Spottchor mit seinen jähren Lichtwechseln bewegt er stumm die Lippen, indem die Menge aus dem Dunkel heraus seine Ängste anheizt; ähnlich Kaspars internalisierte Fremdbestimmtheit später in der Wolfsschlucht.
Opernwelt 5/2017
Opernwelt-Nominierung als Regisseurin des Jahres
DER GÖTTLICHER TIVOLI
Norgard
2008
Theater Lübeck
Per Norgards Oper in Lübeck gefeiert !
Das gut zweistündige Werk ist allerdings keine Oper im konventionellen Sinn, sondern zeitgenössisches Musiktheater par excellence. Dem entspricht Sandra Leupolds phantastische Inszenierung kongenial! Rundheraus: Eine deutsche Erstaufführung aus einem Guss und von ungewöhnlich hoher Qualität. Die Regisseurin hat die Intentionen des Komponisten in atemberaubende Bilder und Aktionen umgesetzt, die zeigen: Kunst ist ursprünglich, entspringt einer Besessenheit, durchmisst Höhen und Tiefen, ist nur sich selbst verantwortlich.
Kieler Nachrichten 12.3.07
laGERUSALEmME LIBERATA
Pallavicino
2013
Staatstheater Mainz
Nominiert in der Opernwelt: "REGISSEURIN DES JAHRES 2013“
- Erzählen durch Körpersprache: Einsame Höhe –
Gespielt worden ist die Oper seit 300 Jahren nicht mehr. Das Staatstheater Mainz bereitet ihr jetzt eine brillante, unterhaltsame, aber auch respektvolle Wiederauferstehung.
Verantwortlich dafür ist in erster Linie die Regisseurin Sandra Leupold. Sie verzichtet, es ist fast schon ihr Markenzeichen, auf eine Ausstattung im konventionellen und narrativen Sinn. Die Bühne bleibt leer. Ein paar Requisiten müssen genügen: Eine Windmaschine bläst die angreifenden Christen nieder, später finden sie sich in einem riesigen Netz wieder. Alles andere - und das heißt: eigentlich alles - wird allein durch die Sprache der Körper erzählt. Das erfordert von allen Beteiligten viel Disziplin, hat gewiss auch für blaue Flecken gesorgt, bewegt sich jedoch in der Mischung aus Natürlichkeit und Choreografie auf einsamer Höhe. So viel wegzulassen und zugleich so viel zu zeigen wie Sandra Leupold, das traut sich heute kaum ein Regisseur oder eine Regisseurin. Können kommt hier von Körper. Es zählt die Arbeit an der Substanz - im Zeitalter schöner Unverbindlichkeit und (nach wie vor virulenter) krampfiger Aktualisierung ist das ein extremer Weg. Aber einer, der sich lohnt. Und der sich hier besonders auszahlt, weil die Figuren nicht vorschnell vereinnahmt werden und die Fremdheit ihrer dramaturgischen Konzeption immer erkennbar bleibt. (...) Großer Jubel im Kleinen Haus!
Opernwelt Juli/13
Opernwelt-Nominierung als Regisseurin des Jahres
GIANNI SCHICCHI/TROUBLE IN TAHITI
Puccini / Bernstein
2006
Theater Luzern
Neue Zürcher Zeitung 2.10.06
Verlorene Illusionen
Die Regisseurin stellt die beiden Werke nicht einfach nebeneinander, sondern verbindet sie so, dass der Chronologie der 1918 bzw. 1952 uraufgeführten Einakter eine sehr intelligente inhaltliche Entwicklung entspricht. [...] Leupold erzählt die auf Dante zurückgehende Geschichte auf einer ortlosen Bühne, die durch eine nach hinten ansteigende Wölbung strukturiert wird. Rieselnder Schnee zeigt das Klima wachsender zwischenmenschlicher Kälte an. Denn diese Liebe – die Liebe überhaupt? – ist ein Traum, eine Illusion, das macht Leupold deutlich, indem sie das junge Paar zugleich in eingeblendeten Filmszenen auftreten lässt. Am Schluss der Puccini-Oper, während bereits Bernsteins Musik erklingt, sitzt auf Kinosesseln ein anderes, nach der Mode der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts gekleidetes Paar und schaut sich diesen Film an. Es sind Sam und Dinah, die Bernsteins Eltern nachgebildeten Protagonisten von „Trouble in Tahiti“. Und sie spielen uns herzbeklemmend die triste Fortsetzung der Liebesgeschichte vor: Eheleute aus dem Mittelstand, die sich nichts mehr zu sagen haben, die sich nichts mehr zu sagen haben und sich schließlich in die schöne, verlogene Scheinwelt des Films flüchten. Auf der Leinwand erscheinen wieder Lauretta und Rinuccio, während ein „Trio“ in wechselnden Kostümierungen auf dem Schneeband die Slogans von Liebe, Glück und Harmonie intoniert. Und nicht nur inhaltlich, auch musikalisch kann „Trouble in Tahiti“ als eine Fortsetzung von „Gianni Schicchi“ gesehen werden – das macht diesen klugen Abend doppelt anregend!
Viel Lob für Monteverdis „Poppea“
[...] wagt das Landestheater Eisenach eine dritte ungewöhnliche Inszenierung. Außerhalb aller üblichen Repertoire-Routine brachte die junge Regisseurin Sandra Leupold Claudio Monteverdis dramma per musica “Die Hochzeit der Poppea” auf die Bühne. Scena ultima: Noch einmal und noch einmal wiederholt sich das Liebesduett [...]. Inniger können sich die Stimmen kaum ineinanderschlingen. Immer höher steigen die Sänger dabei auf Leitern himmelwärts – und sind so weit voneinander entfernt, wie es der Bühnenraum nur zulässt. Man merkt es kaum, wie die Musik mehr und mehr ausdünnt, wie der Gesang immer fragiler wird – bis er schließlich ganz verstummt. Das Ende im Dunkeln und in der Stille. Nero und Poppea, das ideale Liebespaar, mit dem Amor seine göttliche Wette auf die Allmacht der Liebe gewinnen wollte, ist gescheitert. Kein Ton, kein Bild und kein Wort in Sandra Leupolds Inszenierung zielen darauf hin, allein die so tief berührende Schlussszene und ein kurzer Moment davor lassen das Happy End der Oper abstürzen. Ein Nero kann niemanden anbeten als sich selbst, und nichts wird ihm heilig sein als die Macht.
Deutschlandfunk 7.12.05
Monteverdi
2003
Theater Eisenach
L'INCORONAZIONE DI POPPEA
LUCI MIE TRADITRICI
Sciarrino
2018
Theater Lübeck
Grenzerfahrungen
Was der 1947 in Palermo geborene Meister der Reduktion unter das Mikroskop legt, sind die Zwischenräume menschlicher Beziehun- gen, und was sich hier mit den Mitteln von Stille und ihren Rand- gebieten Gehör zu verschaffen versucht, ist das Unbegreifliche, Un- aussprechliche. Wie keinem anderen gelingt es Sciarrino, Intensität gerade in dieser zerbrechlichen, so gefährdeten Zone am Rande des Verstummens bis zum Äußersten zu steigern. Und dorthin, in die Grenzbereiche des Möglichen, zwingt er nicht nur seine hypersensi- blen Bühnenfiguren, sondern mit den Ausführenden und dem Publi- kum auch das ganze Veranstaltungsformat einer Opernvorstellung.
Sandra Leupold
LUCIA DI LAMERMOOR
Donizetti
2010
Staatsoper Hamburg
Zerrissene Seelen
Opern wie „Lucia di Lammermoor“ zählen nicht unbedingt zu den bevorzugten Opfern avancierten Regietheaters. Denn das hatte sich in den gesellschaftlichen Diskursen nach 1968 ausgebildet, denen die sich in Schönheit verströmenden Seelen des Belcanto viel zu künstlich und damit herzlich egal waren. Inzwischen wissen wir, dass sich Bedeutungshaltigkeit auch über sehr artifizielle Inhalte vermitteln kann – man muss nur die Spielregeln kennen.
Wenn an der Hamburgischen Staatsoper Sandra Leupold ihre „Lucia di Lammermoor“ in einer Art Kulissenlager spielen lässt, macht sie sehr klug genau diese Spielregeln zum Thema. In einer riesigen Mansarde wird gelagert, was im aktuellen Opernbetrieb nur noch selten gebraucht wird: Wand-Versatzstücke mit Adelsporträts, Kostümplunder, altertümliche Requisiten. Die Belcanto-Oper wird damit äußerst liebevoll als eine etwas altmodische Kunstverabredung ausgestellt – und die Regie verschafft sich gekonnt die Lizenz, diese Verabredung mit allen Mitteln der Künstlichkeit zu kommentieren.
Die deutsche Bühne 06/10
L'ORACOLO/LE VILLI
Leoni/Puccini
2009
Oper Frankfurt
Mut und Blut
Intelligentes Reality-TV: Sandra Leupold verknüpft in Frankfurt Puccinis Erstling „Le Villi“ mit Franco Leonis Verismo-Nachschlag „L’Oracolo“
Es gehört schon eine feine Spürnase dazu, zwei so abgelegene Stücke wie Giacomo Puccinis „Le Villi“ und Franco Leonis „L’Oracolo“ auszugraben. Und es fordert eine Menge Mut, sie zu verbinden und einem weitgehend ahnungslosen Publikum anstelle des gewohnten Doppels „Cavalleria Rusticana/ I Pagliacci“ vorzusetzen. (...) Das ist ein Versuch, musikalisch etwas zusammenzufügen, was nicht unbedingt zusammengehört.
Diese Aufgabe stellt sich der Szene noch zwingender. Die Regissseurin Sandra Leupold hat sie dahingehend gelöst, dass sie beide Opern in den dramaturgischen Rahmen einer heutigen Reality-TV-Show stellt. Heike Scheeles Bühnenbild zeigt eine Studioarena, umgeben von verschieb- und verwandelbaren Tribünen, von denen das Publikum in die Handlung eingreift. (...) Leupold versteht es in beiden Opern, mit sparsamen Mitteln einen großen Spannungsbogen aufzubauen, was bei Puccinis Jugendwerk ein Kunststück ist. Vom ironisierten Schwarzwald-Idyll bis zum Lynchmord durch das Publikum werden die dramatischen Möglichkeiten des eher dürren Plots voll ausgereizt. Die Personenführung ist knapp und prägnant, eher stilisiert als realistisch. Besonders gut geht sie bei Annalisa Raspagliosi auf, die die regielichen Vorgaben in beiden Stücken eindrücklich umsetzt. Besonders ihr stilles Wahnsinnsende in „L’Oracolo“ prägt sich ein. (...) Frankfurt hat mit diesem neuartigen Tandem unbekannter Kurzopern viel gewagt und eindeutig gewonnen!
Opernwelt 12/09
ORFEO ED EURIDICE
Gluck
2006
Theater Chur
Intensiv und intelligent: Das Stadttheater Chur katapultiert sich mit „Orfeo“ in die Schweizer Opern-Elite
So bleibt es den ganzen Opernabend hindurch: intensiv und intelligent. Und zwischendurch ein wenig neckisch und ironisch. Etwa für Amor, der verspielt, aber auch ein bisschen bedrohlich gezeichnet wird: Überaus gekonnt das Spiel mit seinen Händen und Fingern, die mit Statistenhilfe ins Übernatürliche wachsen. Ein spielerisches Element, von denen Leupold einige einstreut – damit es ironisch, manchmal auch richtig makaber wird, dadurch die Spannung absichtlich bricht, was ihr erlaubt, immer von neuem Intensität aufzubauen.
Musik und Theater 4/06
PARSIFAL
Wagner
2008
Staatstheater Mainz
Opernwelt-Nominierung als Aufführung des Jahres
[...] Das Grandiose des Mainzer Abends liegt nicht darin, dass man sich amüsieren könnte, weil und wie er den ganzen spirituellen Kram reduziert: die Sache mit der ewig blutenden Wunde des Amfortas, mit dem Toren, der durch Mitleid wissend ist und später den Erlöser mimt, und mit dem philosophisch immer schon vagen Satz „Zum Raum wir hier die Zeit“, mit Zauber und Verwünschungen.
Das Grandiose liegt darin, dass Sandra Leupold mit dieser konsequent durchgehaltenen Sicht auf den Parsifal dem Zuschauer die Entscheidung in jedem Fall offen lässt, welche Perspektive er wählen will. Ihre Inszenierung ist im besten Sinne überpersönlich. [...] Aller Weihrauch ist hinweggepustet, das Ganze als Probe gestaltet. Entsprechend sieht die Bühne des Mainzer Staatstheaters aus. Blanke Brandschutzmauern, davor gähnt Leere. Stühle stehen herum, gleich werden die Akteure das Spielfeld betreten. Nötige Requisiten werden bereitgestellt, die Sänger [...] schlüpfen in Kostüme, und los geht’s. [...]
Wenn man so will, wandelt Sandra Leupold in ihrer Mainzer Lesart, die nicht anders als minutiös und blitzgescheit zu nennen ist, auf den Spuren, die Dahlhaus, der große Wagner-Kenner, vorgibt. Ihr ist der ganze religiöse Kontext des „Parsifal“ suspekt.
Opernwelt, Dezember 2008
PELLÉAS ET MÉLISANDE
Debussy
2007
Staatstheater Mainz
Sind wir mit dem ausgestattet, was wir brauchen, um glücklich zu sein ?
« Ich bin ganz erfasst von der Kraft, die von diesem Werk ausgeht deI Kraft einer utopischen Äußerung. Das war 1902 extreme Avantgarde Debussy hat eine Oper geschrieben, die gar keine Oper sein wollte: eine Oper über das Schweigen - und für ein Theater, das erst noch erfunden werden musste.. »
Sandra Leupold
Dieser "Pelleas" ist eine hervorragende Produktion – und es lohnt sich eben doch, für die so facettenreiche und schwierige Kunstform Oper auch ausgewiesene Musiktheater- Regisseure zu verpflichten.
Mainzer Rhein Zeitung 15.1.2007
Opernwelt-Nominierung als Regisseurin des Jahres
PIQUE DAME
Tschaikowsky
2009
Oper Kiel
Mit Gewähr
Es gibt nicht viele Opern, die wie diese einfach nur ausweglos und niederschmetternd sind und einem selbst noch das allerletzte QuäntchenTrost einfach nicht geben wollen. Und dass PiQUE DAME im goldenen Reigen des Opernrepertoires nach wie vor keinen richtigen Platz findet, verwundert nicht wirklich, denn kaum ein Stück könnte ungeeigneter sein, um sich einen schönen Abend zu machen. Die völlig aufgegebene Distanz des Autors zu seinem Geschöpf Hermann, Tschaikowskis rücksichtslose Hingabe an diese Figur hat ein Werk von so erschreckender Direktheit geschaffen, dass es dem Zuhörer hier einfach' nicht gelingt, sich im Operngrauen wohlig einzurichten und es aus einem gewissen Sicherheitsabstand zu genießen.
Sandra Leupold
Ein Regie- und mehrere Sänger-Debüts lassen die Kieler Inszenierung zu einem sehr eindrucksvollen Erlebnis werden, die sich ganz auf die Musik konzentriert.
Die abenteuerliche Geschichte lässt sich heute nicht mehr realistisch darstellen. In dieser zutreffenden Erkenntnis überhöht die junge Regisseurin Sandra Leupold – die von der Fachwelt zu den größten Hoffnungen ihrer Zunft in unseren Tagen gezählt wird – in ihrer ersten Kieler Regiearbeit den Stoff und die Umsetzung ins Metaphysische. [...] Das Premierenpublikum war fasziniert. Nachdem schüchterne Versuche zum Szenenbeifall abgeblockt wurden, äußerste sich die Zustimmung bereits zur Pause sehr herzlich und schwoll zum Schluss außerordentlich an. Wann hat man es im Norden tatsächlich erlebt, dass aus dem Publikum Dirigent und Regisseurin Blumen zugeworfen werden!
Kieler Nachrichten 14.6.09
DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN
Janacek
2005
Theater Freiburg
Sandra Leupold sieht in Janáceks „Füchslein“ ganz existentiell zwei Lebenswelten aufeinander stoßen. [...] Vielmehr ist diese Oper eine humorvolle und poetische Geschichte über die unterschiedliche Art, wie Menschen und Tiere den Lebenszyklus erleben. Eindeutiger und klarer noch, als dies [...] Max Brod in seiner Übersetzung getan hat, legt Sandra Leupold auf diesen Aspekt den Regieschwerpunkt. [...] Ein Schuss, kurz blitzt noch einmal das Liebesthema der Füchse auf: so unspektakulär, wie wohl selten eine Operndiva starb. Was typisch ist für die Tierwelt, die Janácek in seiner Oper den Menschen einen Spiegel vorhalten lässt, der schwer zu ertragen ist. Weil er ihnen zeigt, wie unwichtig und ersetzbar eine jede irdische Existenz ist.
Der Sonntag 19.6.05
SCIPIONE AFRICANO
Cavalli
2002
Altes Stadbad Saarbrücken
Der Krieg findet im Schwimmbad statt
[...] Das erwies sich als Glücksgriff, denn „Scipione Africano“ spielt auch am Wasser, im Hafen von Karthago und in einer zerstörten Stadt – wie ja auch das Schwimmbad seit seiner Schließung heruntergekommen, zum öden Ort geworden ist. Die Regisseurin Sandra Leupold und die Ausstatterin Andrea Eisensee haben ihre Ideen auch ganz auf die Schwimmbad-Atmosphäre eingestellt. Die Figuren, jedenfalls die Karthager, laufen in Badekleidung bzw. Strandkleidung herum, die Requisiten sind aus Plastik: sparsam, einfach, aber verblüffend wirkungsvoll.
Das Meer ist angedeutet durch Hunderte von milchig-weißen und durchsichtigen Luftballons, die auf dem Grund des Schwimmbads liegen. Sie wirken in der Masse wie ein blubberndes Schaumbad: Eine geniale Kulisse zum Durchwaten, Verstecken, zum Schiffeversenken blauer Luftmatratzen - manchmal knallt’s auch bedrohlich, wenn ein Luftballon platzt -, schließlich herrscht ja Krieg. Und dann gibt’s noch knallrote üppige, ja fast erotische Plastiksofas: multifunktional mal Thron, mal Sessel, mal Kummerkissen oder Grabstätte. Sandra Leupold ist es gelungen, die komplizierte Handlung plastisch zu vermitteln: [...] Es geht also um Lust und Verzweiflung, um Zärtlichkeit und Gewalt, Macht und Rachedurst. Turbulente Liebesverwirrung, Lächerliches und Lyrisches, Farce und Groteske liegen nah beieinander und durchdringen sich in dieser turbulenten Inszenierung höchst gekonnt.
Opernwelt Nov 02
TANNHÄUSER
Wagner
2010
Staatstheater Mainz
Ein Stück unterwegs
Die gravierendste unter den Krankheiten der Welt, die er durch seine Kunst heilen Wollte, war für Wagner ihre Gespaltenheit. Als Reflex der politischen und kulturellen Widersprüche seiner Zeit bestimmte sie Wagners Lebensgefühl und wurde zu einer "echten Grundfigur in seinem Werk.
Nirgendwo aber hat er die gespaltene Welt so grausam und schmerzhaft zum Thema gemacht wie im Tannhäuser.
Sandra Leupold
Sandra Leupold nähert sich Wagners «Tannhäuser» jenseits aller historisierenden Opulenz. Sie bietet eine Art psychologische Exkursion, die von heute aus versucht, die innere Widersprüchlichkeit von Wagners Oper aufzuhellen.
Kultiversum
ILTIGRANE
Scarlatti
2009
Staatstheater Saarbrücken
Den Atem anhalten
Beim Öffnen dieses fast dreihundert Jahre lang vergessenen Papierstapels begegnet uns eine unbekannte Welt. Obwohl sie kaum damit rechnen konnte. das sich noch einmal jemand Für sie interessieren würde, hat sie auf uns gewartet. Oder wenigstens das, was damals aufgeschrieben wurde. Keine über Generationen weitergereichte Bühnenpraxis hat es verbeult und unkenntlich gemacht. Der unverstellte Blick. den wir so auf diese Oper werfen können. öffnet uns den direkten Zugang zur Frische und Unverbrauchtheit ihrer Musik ebenso wie zu dem; was wir an dieser untergegangenen und uns fremd gewordenen Welt nicht kennen. was uns verstört und was uns von ihr trennt.
Sandra Leupold
TOSCA
Puccini
2007
Staatstheater Wiesbaden
Der Altar als Esstisch und Richtstätte – Sandra Leupold bietet am Staatsthetaer Wiesbaden eine ungewohnte, packende Sicht auf die Oper „Tosca“
(...) Die Regisseurin, die durch ihre sensationelle Don-Giovanni-Interpretation in Heidelberg ein Stück Theatergeschichte schrieb, sucht den von den Autoren vorgegebenen extremen Zuständen und Verhaltensweisen Rechnung zu tragen, indem sie auf kluge Distanz geht, die Figuren oft mit sehr weitem Abstand einander begegnen und sogar in den Liebeszenen nicht wirklich nahe kommen lässt. Packend! (...)
Allgemeine Zeitung 11.09.07
WERTHER
Massenet
2018
Theater Lübeck
Opernwelt-Nominierung als Regisseurin des Jahres
Zwei Einsamkeiten
In einer Oper für das Paris des Fin de siècle kurz vor dem Bau des Eiffelturms wirken die Figuren aus der vorrevolutionären Werther- Welt, als hätten sie sich verlaufen. Kapitalismus und Industrie-Moderne bieten ihnen keinen Raum, der sie schützend umgeben könnte. Wie Gestrandete im Nirgendwo einer ortlosen Welt können sie Halt jeweils nur einander geben, wenn sie eben zusammengehören und versuchen, sich Orte der Sicherheit schaffen, die das Richtige (und die Richtigen) vom Falschen trennen.
Solche Behausungen, gebaut nur aus Sehnsucht danach, nicht alleine in der endlosen Lee- re sein zu müssen, und Stabilität allenfalls vorübergehend bietend, bleiben für den Einen, dessen Bestimmung es ist, ewig unbehaust zu sein, unerreichbar. (…)
Sandra Leupold
Mozart
2017
Theater Erfurt
Von der Aufhebung der Gegensätze
Wenn am Ende der Führer eines strikten Männerbundes ausgerechnet von einem Paar beerbt werden soll, erfüllt sich das Credo der Oper: „Mann und Weib und Weib und Mann reichen an die Gottheit an.“ – das Hohelied von der Aufhebung der Gegensätze, welches die maximal verschiedenen Figuren Pamina und Papageno in vollendeter Harmonie und in Es-Dur miteinander singen, und von der Ebenbürtigkeit der Geschlechter.
Wie über eine Brücke auf fünf Pfeilern führt der durch diese Tonart gekennzeichnete Weg durch das Stück zur Inthronisierung des idealen Paares, während die drei Knaben schützend ihre Hände über ihn halten. Im gedruckten Textbuch der Uraufführung noch „Genien“ genannt, sind sie es, die hier als buchstäblich höchste Instanz auftreten. Was heißt, dass sie eben nicht auftreten, sondern fliegen sollen.
Sandra Leupold
DIE ZAUBERFLÖTE
Publikumspreis des Theater Erfurt:
beste Inszenierung der Spielzeit